27.07.1928, Hamburg -
Contralto de nationalité allemande
Hamburger Abendblatt, 31.12.1992
DIE KAMMERSÄNGERIN SINGT IHRE LETZTE VORSTELLUNG
Oper ade - Ursula Boese zieht es zu den Walen
Von Kalle Burmester Hamburg - "Ich gehe mit zwei ganz furchtbar lachenden Augen." Kammersängerin Ursula Boese beendet morgen ihre Bühnenkarriere: "Ich bin heil durchgekommen", sagt die Hamburger Altistin, "und mache den Mund ganz bestimmt nicht mehr auf." In der Opera stabile (19.30 Uhr) singt die handfestjunge Mittsechzigerin, die seit 1961 zum Ensemble der Staatsoper gehört, die Ute in Oscar Straus 1 Persiflage "Die lustigen Nibelungen".
Ursula Boese kann von einem ungewöhnlichen Karriere-Beginn berichten: Sie gab ihr Opern-Debüt gleich auf dem Grünen Hügel. Dabei hatte die Hamburgerin, die schon als Kind Sängerin werden wollte, "nur" Konzertgesang studiert und sich bereits als Oratorien- Altistin einen Namen gemacht.
Die Wende kam 1957 "nach einem Konzert in Stuttgart. Draußen stand ein schwarzer Mercedes mit dem Kennzeichen ,BT' - Bayreuth", erzählt Ursula Boese: "Und ich sagte mir: Ob das der Wagner ist?" Es war Wieland Wagner. "Furchtbar nervös" bat sie, ihm vorsingen zu dürfen, weil alle sagten, sie habe eine Wagner-Stimme. Der Komponistenenkel war sofort von ihr überzeugt und baute sie auf für ihr Debüt 1958: Zunächst als eine der Rheintöchter, dann als zweite Norn. Schon 1959 sang sie die Fricka in Covent Garden. Mailands "Scala", Buenos Aires' "Colon", Barcelonas ?Liceu folgten.
So überraschend die Konzertsängerin in Bayreuth zur Oper stieß, so plötzlich fand diese Zeit ihr Ende. "1966 passierte das Unglück", erinnert sich die Altistin: "Ich war schwer erkältet gewesen, mußte vier Wochen schweigen. Mein Arzt sagte mir damals: .Fangen Sie vorsichtig wieder an.' In der Probe unter Karl Böhm habe ich dann nur angedeutet. Und er schrie immer herauf: .Aussingen!'" Ursula Boese dachte sich damals, sie erzähle es ihm besser hinterher. "Aber der Mann wütete. Und obwohl er mich mochte, wurde ich gefeuert." Im Oktober 1966 starb dann Wieland Wagner, ihr Mentor, der alles hatte wieder einrenken wollen.
Für die Hamburger Kammersängerin war das "ein furchtbarer Schlag. Bayreuth war mein zweites Zuhause." Zu der Zeit aber war sie schon eine begehrte Opernsängerin, sang in aller Welt ihre Wagner- Partien, Strauss und Verdi (Amneris, Ulrica) und hatte längst ein festes Engagement in der Tasche.
1960 hatte Hamburgs Opernintendant Rolf Liebermann sie telegraphisch um ein Vorsingen gebeten. Ursula Boese rief Liebermann an. Sie hätte dies schon einmal als Studentin in Hamburg gemacht, sagte sie zu Liebermann, damals hätte man weder "Guten Tag" noch "Auf Wiedersehen" zu ihr gesagt, sie wolle sich das nicht noch einmal zumuten. Liebermann versprach ihr, sie werde begrüßt und verabschiedet werden, und: 1960 debütierte Ursula Boese als Fricka in ihrer Heimatstadt.
"Liebermann hat mich systematisch aufgebaut", sagt Ursula Boese. Da er als Intendant die zeitgenössische Oper förderte, bat Liebermann die Komponisten, sich vor der Arbeit die Sänger anzuhören, für die sie schreiben würden. "So waren die Rollen uns auf den Leib geschrieben", erinnert sich die Hamburgerin begeistert. Besonders gern sang sie in Alexander Goehrs "Arden muß sterben" (1967) und Gian Carlo Menottis "Hufe! Die Globolinks" (1968).
Auch wenn sie nicht mehr auftreten will, der Musik bleibt sie treu: als Opernbesucherin und Lehrerin. Ursula Boese möchte jetzt "ein paar lange Reisen" machen. Landschaften interessieren sie. Dabei ist von Ruhe und Betulichkeit keine Spur: Sie will demnächst "in der ganzen Welt die Wale besuchen".